Von Affen und Führungskräften: Die Macht der richtigen Fragen

Andrea Bergmann, eine erfolgreiche Fach- und Führungskraft, betritt morgens voller Tatendrang ihr Büro. Doch schon auf dem Flur kommt ihr ein Mitarbeiter entgegen – mit besorgtem Blick und den Worten: „Guten Morgen, kann ich dich kurz sprechen? Ich habe nämlich ein Riesenproblem!“ Andrea, die stets proaktiv und lösungsorientiert handelt, bleibt natürlich stehen, um das Problem sofort in Angriff zu nehmen. Schließlich ist sie eine erfahrene Managerin und löst Probleme am besten durch schnelles und entschlossenes Handeln.

Dieses Selbstbild von Führungskräften ist geschlechtsunabhängig und prägt viele von uns. Aber was passiert in diesem Szenario? Die Führungskraft hört kurz zu, entwickelt schnell erste Lösungsansätze und berät den Mitarbeiter. Bald sind 20 Minuten vergangen und obwohl Andrea versucht hat, das Problem zu lösen, stellt sich heraus, dass es komplexer ist als erwartet. Und da sie schon einmal angefangen hat, kann sie die Aufgabe gleich ganz übernehmen.

In Anlehnung an eine Metapher aus dem 1990 erschienenen Buch von Kenneth Blanchard „Der Minutenmanager und der Klammeraffe“ könnte man auch sagen: Der Mitarbeiter hat seinen Affen (eine schwierige Aufgabe) dem Chef übergeben. Und der kümmert sich jetzt darum.

Sicher, manche Affen entpuppen sich bei näherem Hinsehen als maskierte Termitenschwärme, die in der Tat sofort bekämpft werden müssen. Aber ebenso oft handelt es sich um unliebsame Probleme, die der Mitarbeiter einfach nur loswerden oder weiterdelegieren will.

Die Affentreppe: Fragen statt Antworten

Es gibt jedoch einen effektiveren Weg, mit solchen Situationen umzugehen: Statt nach schnellen Lösungen und Antworten zu suchen, können Führungskräfte gezielt Fragen stellen. Hier kommt die „Affentreppe“ ins Spiel. Diese Methode basiert auf dem Prinzip, den Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, das Problem selbst zu lösen, anstatt es einfach an die Führungskraft zu delegieren. Die Affentreppe ist eine aufeinander abgestimmte Abfolge von zehn spezifischen Fragen, die dazu dienen, das Problem richtig zu verstehen und gleichzeitig das Problemlösungspotenzial des Mitarbeiters zu aktivieren.

Die „Affentreppe“ im Detail

Hier sind die zehn Fragen der Affentreppe:

  • 1. Wo genau liegt deiner Meinung nach das Problem?
    Hier beginnt die Problemanalyse.
  • 2. Was passiert, wenn wir nichts unternehmen?
    Diese Frage motiviert dazu, die Dringlichkeit der Aufgabe zu hinterfragen.
  • 3. Was hast du bisher getan?
    Der Blick auf bereits unternommene Schritte.
  • 4. Mit welchen Folgen?
    Ein Rückblick auf die bisherigen Aktionen.
  • 5. Warum hat es deiner Meinung nach nicht funktioniert?
    Ursachenforschung.
  • 6. Was hast du noch nicht versucht?
    Ermutigung zur Kreativität.
  • 7. Was hat dich davon abgehalten, es zu versuchen?
    Identifizierung von Hindernissen.
  • 8. Was passiert, wenn auch das nicht funktioniert?
    Berücksichtigung möglicher Rückschläge.
  • 9. Was schlägst du als nächsten Schritt vor?
    Planung der Aktivität.
  • 10. Wer (außer mir) könnte dich dabei am besten unterstützen?
    Die Überlegung, wer im Team helfen könnte.

Wenn du als Führungskraft diese Fragen in der richtigen Reihenfolge stellst, wirst du überrascht sein, wie viele Probleme sich lösen lassen, ohne dass du direkt eingreifen musst. Die Affentreppe dient nicht nur dazu, die Mitarbeiter zu Selbständigkeit und eigenverantwortlichem Denken zu befähigen, sondern fördert auch die Selbstreflexion und das Selbstbewusstsein der Mitarbeiter. Es ist ein Instrument, das die Führungskräfte entlastet, indem es den Mitarbeitern ermöglicht, ihre eigenen „Affen“ zu zähmen und dabei wertvolle Fähigkeiten zu entwickeln.

Probiere die Affentreppe in deinem Team aus und du wirst sehen, wie effektiv diese Methode sein kann. Anstatt den Affen zu übernehmen, hilf deinen Mitarbeitern, ihre eigenen Affen zu zähmen und stärker, selbstbewusster und unabhängiger zu werden.

In diesem Text wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.

Rechtlicher Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine Steuer- oder Rechtsberatung im Einzelfall dar. Bitte lasse die Sachverhalte im konkreten Einzelfall von einem Rechtsanwalt / Steuerberater klären.