Der Aufbau von Superteams

Was können wir vom Aufbau der Superteams in der NBA lernen?

Gedanken zu Leistungsträgern und Rollenspielern im Unternehmen.

Die neue NBA-Saison beginnt und über 200 der 450 Spieler (die Kadergrößen sind festgelegt), die einen Platz in einem NBA-Team haben, spielen für eine neue Mannschaft. Hierbei sticht ein Konzept für die Zusammenstellung eines Erfolgsteams besonders heraus: Die Kombination von zwei Superstars mit einer Vielzahl von Co-Stars und sogenannten Rollenspielern.

Hierbei muss man einige Aspekte berücksichtigen:

  • Im Gegensatz zur europäischen Sportwelt wird in den USA jedes Jahr festgelegt, wieviel Gehalt an die Spieler insgesamt bezahlt werden darf. Bei Überschreiten des sogenannten Salary-Caps, erfolgen Strafzahlungen an die Liga, die ja nach Höhe und Dauer der Überschreitung gestaffelt sind. So kann jeder über der festgeschriebenen Gehaltsgrenze liegende Dollar schnell zu einer Strafzahlung von vier Dollar führen. Weiterhin können keine neuen Verträge ausgereicht werden, wenn die Gehaltsobergrenze erreicht ist.
  • An den rund 1.100 Hochschulen spielen zwischen 15.000 und 20.000 Jugendliche Basketball – dies ist das jährliche Potenzial an jungen Spielern, die sich Hoffnungen auf einen der 450 Jobs als Spieler in der NBA machen. Hinzu kommen noch die Hochtalentierten aus der ganzen Welt (aktuell 113 der 450 Spieler). Wer sich hier also durchsetzt und einen NBA-Vertrag ergattert, gehörte in der Vergangenheit zu den Superstars am College oder in einer anderen Liga und bringt dementsprechend ein ausgeprägtes Ego und viel Selbstbewusstsein mit.

Wie gelingt es also den NBA-Franchises aus 15 selbstüberzeugten Egomanen ein funktionierendes Team zu formen, in dem jeder seine Stärken einbringt, aber akzeptiert, dass sein Nebenspieler ggf. besser ist und öfter auf den Korb werfen darf als er selbst? Wie gehen die Superstars damit um, dass sie alleine nicht gewinnen können, sondern andere talentierte Mitspieler benötigen, um Titel zu sammeln?

Es lassen sich zwei wesentliche Parallelen zu unserer Arbeitswelt ziehen:

  1. In der Arbeitswelt ist der finanzielle Rahmen, dessen was an die Arbeitnehmer ausgeschüttet werden kann, ebenfalls begrenzt. Mit diesem gesamten Gehaltsrahmen muss ein funktionierendes Team aufgebaut werden. Unter Berücksichtigung entsprechender, meist positionsgegebenen, Gehaltsunterschiede.
  2. Um erfolgreich am Markt zu agieren, benötigt ein Unternehmen Stars (Top-Verkäufer, Innovatoren, Entwickler etc.) und Rollenspieler bzw. „Abarbeiter“ (Research, Back Office, Assistenz etc.).

In vielen, gerade verkaufs- und abschlussorientierten Unternehmen, sind Teams in dieser Art aufgebaut. Hierbei stoßen wir immer wieder auf erhebliche Frustpotenziale. Leistungsträger ärgern sich – obwohl häufig über umsatzorientierte Incentive-Modelle privilegiert – über die „Normalen“, die nichts oder viel zu wenig auf die Reihe bringen und in ihren Augen eigentlich wertlos sind. Die Mitarbeiter im Hintergrund fühlen sich ungerecht behandelt, wissen natürlich über die Gehaltsunterschiede Bescheid und fühlen sich nicht wertgeschätzt.

There is an i in Team! Leistungsträger sind notwendig

Leistungsträger, mit ihrem erfolgsorientierten Denken und den hiermit einhergehenden Ansprüchen, sind zwingend notwendig! Sie regen sich darüber auf, dass der Kollege pünktlich zum Feierabend geht, obwohl noch unerledigte Aufgaben vorhanden sind. Sie verstehen nicht, dass ein Kollege sich mit qualitativ schwächeren Resultaten zufriedengibt. Und sie machen ihrem Unmut sowohl gegenüber der Unternehmensleitung als auch im Kollegenkreis Luft. Dies führt häufig zu schlechter Atmosphäre am Arbeitsplatz.

Und dennoch: die Start-up-Romantik, in der alle gleich sind, jeder eben die Leistung erbringt, die er kann und alle gleich viel Wert sind (und gleich viel verdienen), ist ein Märchen. In jedem Team entstehen automatisch interne und versteckte Hierarchien. Werden diese nicht aufgedeckt und indirekt thematisiert, entsteht sowohl auf Seiten der Stars als auch auf Seiten der Rollenspieler ein hohes Frustpotenzial.

Die beiden diesbezüglich polarisierenden Fehlverhalten, die bei Führungskräften im Umgang mit ihren unterschiedlichen Teammitgliedern auftreten sind:

  1. (Unbewusst) einseitige Fokussierung auf die Leistungsträger in mehr oder weniger starker Ausprägung. Führungskräfte unterschätzen häufig, welche Gedanken und Gefühle ihr Verhalten bei den Mitarbeitern auslöst. Umsatzorientierte Führungskräfte neigen dazu, den Stars mehr Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen. Dies liegt in der Natur der Sache, denn mit diesen können sie sich über ihr eigenes Schwerpunktthema austauschen. Dies führt zu einer wahrgenommenen – und häufig auch tatsächlich vorhandenen – Minderwertschätzung der Rollenspieler. Sie fühlen sich nicht oder zu wenig beachtet. Ihre erbrachte Leistung wird nicht oder deutlich weniger wahrgenommen. Dies führt zu sinkender Motivation, Resignation und innerer Kündigung. Die Rollenspieler richten sich mit einer „ist-mir-egal“-Haltung ein und reduzieren sukzessive ihre Leistung. Hierbei versuchen sie noch unsichtbarer zu werden.
  2. Fokussierung auf die Team-Chemie führt dazu, dass die Stars ihre außergewöhnlichen Leistungen und Anstrengungen nicht ausreichend gewürdigt sehen. Und ja: hinter Top-Leistungen steckt immer die extra Portion Arbeit und Einsatz. Dies gilt auch für die Superstars der NBA. Kobe Bryant – fünffacher Champion mit den Los Angeles Lakers – ließ nach einer Auswärtsniederlage durch sein persönliches Management nachts schon mal eine Halle buchen. Nach einem anstrengenden Spiel, in dem er einen entscheidenden Wurf vergab, trainierte er noch mehrere Stunden für sich alleine genau die Bewegung, die im Spiel nicht geklappt hat. Während seine Mitspieler bereits im Hotel schliefen. Auch Dirk Nowitzki ließ in wichtigen Phasen einer Saison seinen Mentor und persönlichen Trainer Holger Geschwindner für ein paar zusätzliche Trainingseinheiten einfliegen.

Findet dann durch die Führungskräfte „Gleichmacherei“ statt, wächst der Frust bei den Stars. „Wie kann es sein, dass die Vollpfeifen ständig hofiert und nie kritisiert werden?“  ist dann ein üblicher Gedanke. Dies führt – sowohl in der NBA als auch in der Arbeitswelt dazu, dass sich die Stars neu orientieren und ein Umfeld suchen, das ihre Leistungen stärker honoriert. Hiermit einher geht üblicherweise aggressives Verhalten innerhalb des Teams, Stänkerei und deutlich nach außen getragener Unmut. Ein schönes Beispiel hierfür aus der NBA: Im vergangenen Jahr war der Super-Star Jimmy Butler von den Minesota Timberwolfs mit der Trainingseinstellung und dem Engagement der beiden anderen Stars des Teams (Karl-Anthony Town, Andrew Wiggins) unzufrieden. In einem Training spielte er mit den „Ersatzspielern“ gegen die beiden und weitere Topspieler und gewann. Im Anschluss flippte er völlig aus und schrie das Trainerteam sowie anwesende Teammanager an, dass sie ohne ihn mit den beiden anderen nie etwas gewinnen werden. Ein paar Wochen später wechselte er das Team.

Nicht Trainer kontrollieren Spieler, Spieler kontrollieren Spieler

Unsere Arbeitskultur kommt aus einer Zeit mit klarer Aufgabenverteilung und entsprechender Kontrolle. Die Macht lag ganz klar bei den Arbeitgebern. Funktionierte ein Mitarbeiter nicht, standen in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit genügend andere „Spieler“ bereit, diesen zu ersetzen. Der demographische Wandel hat zu einer Verschiebung dieser Machtverhältnisse geführt. Einerseits können gerade „Stars“ (aber auch viele „Rollenspieler“) sich ihre Jobs aussuchen. Dies führt dazu, dass sie den Arbeitgeber verlassen, wenn sie unzufrieden sind. Andererseits können sich Unternehmen keine demotivierten, Dienst nach Vorschrift ausführenden Rollenspieler mehr leisten. Die Effizienzanforderungen an die Unternehmen sind deutlich gewachsen. Drohungen mit Kündigung und Jobverlust laufen ins Leere, Druck der Unternehmensleitung wird mit Abwanderung bestraft.

Charles Barkley – ein NBA-Superstar der 1980er und 1990er Jahre – prägte die Aussage: „Nicht Trainer kontrollieren Spieler, Spieler kontrollieren Spieler“. Wie sieht also die Lösung für unsere sich ändernde Arbeitswelt aus? Auch hier kann die NBA als Vorbild dienen. Die Aufgaben der Trainer-Teams dort sind:

Entwicklung von Spielsystemen

Das Trainer-Team legt eine Spielphilosophie aufgrund der vorhandenen Spieler fest. Vereinfacht ausgedrückt beispielsweise eher offensiv oder defensiv orientiert. Gute Teams mit langjährigen Trainern verfolgen ihre Spielphilosophie unabhängig von ihren Stars bzw. suchen die entsprechenden zum System passenden Stars. So prägten u. a. die San Antonio Spurs mit ihrer für amerikanische Verhältnisse extrem teamorientierten Spielweise die vergangene Dekade. Grundsätzlich geht es jedoch dabei immer darum, den Spielern Systeme und Lösungen an die Hand zu geben, die sie gewinnbringend einsetzen können. Basketball ist diesbezüglich sehr komplex. Playbooks beinhalten Spielsysteme, die immer mit der gleichen Aktion beginnen, jedoch je nach Reaktion des verteidigenden Teams eine Vielzahl von Abschluss-Szenarien ermöglichen.

Übertragen auf die Arbeitswelt entspricht dies der Organisationsentwicklung

Ein Playbook mit Spielsystemen ist nichts anderes als ein Organisationsorganigramm mit Prozess- und Ablaufplänen. Die oben beschriebenen diversen Abschluss-Szenarien entsprechen der Volatilität und geforderten Agilität in der Arbeitswelt. Übersetzt heißt dies, Führungskräfte sind dafür verantwortlich ihren Teams Systeme und Ressourcen bereit zu stellen, mit denen sie Aufgaben erfolgreich bewältigen können. Je erfahrener und besser ausgebildet die Mitarbeiter sind, umso stärker können und sollten sie in die Entwicklung der Prozesse involviert werden. Und umso mehr (Entscheidungs-)Freiheiten sollten sie genießen. Weiterhin sollten Führungskräfte eine Atmosphäre der Sicherheit schaffen, in der schnell auf sich ändernde Einflüsse reagiert werden kann.

Spielerentwicklung

Die Trainer analysieren die Stärken und Schwächen der eigenen (und möglicher neuer) Spieler und fördern und entwickeln diese. Alle NBA-Spieler erhalten klare Empfehlungen, an welchen Fähigkeiten sie in der Spielpause im Sommer arbeiten sollen. Hieraus entstehen Perspektiven für Einsätze im Spiel. Das wichtigste Gut, dass ein Trainer-Team vergeben kann, sind Spielminuten. Super-Stars arbeiten auch eigenständig an der Entwicklung ihrer Fähigkeiten. So hat sich beispielsweise Lebron James nahezu jedes Jahr eine neue Bewegung oder einen neuen Trick antrainiert. Dieses Jahr hat er sich zum besten Passgeber der Liga entwickelt.

Dies entspricht der Mitarbeiterentwicklung in der Arbeitswelt

Führungskräfte sollten ihre Mitarbeiter kennen. Dies geht weit über die Kenntnis zu fachlichen Kompetenzen hinaus. Persönliche und soziale Potenziale haben an Bedeutung deutlich zugenommen. In Jahresgesprächen (besser Quartalsgesprächen und regelmäßigen arbeits- und projektbezogenen Feedback-Runden) sollten Impulse zur Weiterentwicklung gesetzt und Empfehlungen ausgesprochen werden. Dies geht deutlich über die alibimäßige Teilnahme an Kommunikations- oder Führungsseminaren hinaus.

Teamentwicklung

Wirklich erfolgreich sind nur die Teams, bei denen die Chemie stimmt und alle Spieler ihre Rollen akzeptieren. In der NBA bedeutet dies, dass das Trainer-Team (ggf. unter Einbindung der Superstars) festlegt, welche Systeme für welche Spieler gelaufen werden, wer wie oft auf den Korb werfen darf, wieviel Spielzeit jeder Spieler tatsächlich bekommt. Die Akzeptanz des Ganzen ist der wesentliche Baustein für Erfolg. Nur wenn alle Egos (und wie eingangs ausgeführt, waren auch die Rollenspieler in ihrem vorherigen Leben Superstars) befriedigt werden, jeder seine Rolle akzeptiert und für das gesamte Team arbeitet, funktioniert die Spielorganisation. Oft ist in den TV-Übertragungen zu beobachten, dass gerade erfahrene Spieler oder Führungsspieler mit ihren Mitspielern sprechen und auf besseres Verhalten in einzelnen Situationen hinweisen. Ob die Chemie stimmt und sich die Spieler dem Team zugehörig und verbunden fühlen, sieht man am Verhalten auf der Auswechselbank. Werden erfolgreiche Aktionen der Mitspieler gefeiert und beklatscht? Werden diese angefeuert? Wird ihnen in Auszeiten Platz gemacht, ein Handtuch oder Getränk gereicht?

Übersetzt auf die Arbeitswelt bedeutet dies für Führungskräfte und Unternehmer

sich selbst besser in ihre Teams zu integrieren. Große Geschäftsführerbüros mit geschlossenen Türen und im schlimmsten Fall mit vorgelagertem Büro der persönlichen Assistenz sind out! Führungskräfte müssen ein Gefühl dafür entwickeln, was im Team vor sich geht und wie sich die Mitarbeiter untereinander verhalten. Sie müssen erkennen, wie und ob sich die Mitarbeiter gegenseitig „kontrollieren“ und unterstützen – und dies ohne im Nachgang in Ruhe TV-Aufnahmen der Situationen anschauen zu können. Sie müssen erkennen, ob Stars den Rollenspielern helfen und diese akzeptieren. Sie müssen erfragen und erspüren, ob die Spieler mit ihrer Rolle zufrieden sind und ihre Teams entwickeln.

Im Sinne des erfolgreichen Netzwerkens gehört es auch dazu, Spielern die eine größere Rolle verdient haben und für deren Talent im Moment im eigenen Team kein Platz ist, bei der Suche nach externen Verwirklichungsmöglichkeiten zu helfen. Vielleicht kommen diese Rollenspieler ja irgendwann als Superstar zurück. Dies sind die größten Herausforderungen vor denen Führungskräfte stehen und auf die sie meist nicht vorbereitet und für die sie nicht ausgebildet wurden. Denn auch heute werden meist fachlich erfolgreiche Menschen zu Führungskräften befördert und nur bedingt auf die neuen Anforderungen vorbereitet.

Wie im Beitrag aufgezeigt, ist der Aufbau und der Erhalt eines erfolgreichen Teams eine komplexe Aufgabe, bei der wir aus der NBA einiges lernen können.

In diesem Text wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.

Rechtlicher Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine Steuer- oder Rechtsberatung im Einzelfall dar. Bitte lasse die Sachverhalte im konkreten Einzelfall von einem Rechtsanwalt / Steuerberater klären.